Es ist immer noch ein Tabu, das Thema Selbstmord. Wenn die Seele nicht bleiben will, ist es vor allem für Angehörige besonders schwer, damit umzugehen.
In diesem Beitrag möchte ich eine Lanze dafür brechen, offener mit dem Thema Selbstmord umzugehen und auch die letzte Feier – die Lebensfeier – für die Seele, die freiwillig aus dem Leben geschieden ist – würdevoll zu gestalten.
Warum wir über Selbstmord nicht wirklich sprechen können
Die Sprachlosigkeit, die Angehörige überkommt, wenn sie den Freitod eines nahestehenden Menschen betrauern, ist oft sehr groß.
Das Thema Tod ist ein absolutes Tabuthema in unserer nach Außen gerichteten Gesellschaft. Wenn er dann auch noch aus freien Stücken passiert, fehlen uns tatsächlich oft die Möglichkeiten, das, was wir fühlen, in Worte zu fassen.
Früher, zu jenen Zeiten, die noch mehr von der katholischen Kirche und ihren Regeln geprägt war, war klar, dass man jemandem, der sich freiwillig entschieden hat, zu gehen, die letzte Ehre verwehrt.
So war es auch in meiner Familie
als mein Großvater sich das Leben nahm.
Der Pfarrer wollte seinen letzten Gang nicht begleiten. Niemand konnte darüber reden. Die Worte fehlten und auch das Umfeld tat sich so schwer, Anteil zu nehmen.
Also tat man das, was getan werden musste, und versuchte so gut es eben ging, weiterzumachen. Wirklich verarbeitet wurde der Selbstmord meines Opas aber nie.
Niemand wusste, wie man sich diesem so sensiblen Thema annähert und die Trauer darüber zulassen kann.
Heutzutage leben wir einer aufgeschlosseneren Gesellschaft, aber …
wenn es um die Themen Tod und Selbstmord geht, dann erlebe ich immer wieder, die große Scham und Hilflosigkeit, die Angehörige dabei überkommt.
Viele meinen, den verstorbenen Menschen „rechtfertigen“ zu müssen …
und erklären, warum er oder sie sich zu diesem Schritt entschieden hat, oder wie es dazu kommen konnte. Das ist natürlich durchaus verständlich, denn wir Menschen wollen von Natur aus verstehen.
Wenn sich ein nahestehender Mensch das Leben freiwillig nimmt, dann geht das aber über unseren Verstand hinaus. Und natürlich ist es für die Hinterbliebenen ganz besonders schwer, denn die Gedanken quälen:
„Was wäre gewesen, wenn ich dies oder jenes getan hätte…?“
„Wenn ich nur richtig geholfen hätte…!“
„Wenn ich es nur früher bemerkt hätte…“
Worte für die Lebensfeier
Die Abschiedsfeier für eine Seele, die freiwillig aus dem Leben gegangen ist, ist eine ganz besondere. Denn es braucht Worte mit besonderem Bedacht.
Als Trauerrednerin, die den verstorbenen Menschen und die damit verbundene Geschichte nicht persönlich kennenlernen konnte, versuche ich einen Blick aus meiner Gefühlswelt auf die Situation zu werfen.
Wir alle sind Seelen in einem Körper. Und wenn es uns als Seele in diesem Körper zu anstrengend wird, dann entscheiden wir uns auf dieser Seelenebene unseren Körper zu verlassen.
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Es ist die Sehnsucht nach mehr Leichtigkeit und Unbeschwertheit, die viele, die freiwillig aus dem Leben gehen, antreibt. Das Verschwinden von Schmerzen, körperlichen und seelischen.
Darüber hat niemand zu urteilen.
Ich höre von Hinterbliebenen oft die Bitte, die Umstände des Todes nicht zu erwähnen.
Natürlich komme ich diesen Bitten nach.
Aber beim letzten Fest und der Lebensfeier für den verstorbenen Menschen, darf alles gesagt werden, was zum Leben dazu gehört. Alle Gefühle haben Raum.
Es muss nichts beschönigt werden, aber auch nichts verborgen bleiben, was den Menschen ausgemacht hat.
Denn wir Menschen sind einfach so viel mehr, als wir mit unseren Augen sehen und unserem Verstand begreifen können.
Wir müssen wieder lernen zu FÜHLEN und unseren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Auch wenn es weh tut.
Dann wird es auch wieder möglich, gemeinsam zu trauern, aufzuarbeiten und zu heilen.
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